1984 hat mich mein Freund und Kollege Roland Mittermeir (Wiki-Eintrag) eingeladen, ihn als TA zu einer Vorlesung über Software-Engineering an der Fudan University in Shanghai zu begleiten. Lange habe ich nicht überlegt…
Also habe ich mir am Abreisetag einen Koffer gekauft, gepackt und bin geflogen. Dass Mariella deswegen nervös war verstehe ich bis heute nicht!
Als Kontrast zur Arbeit habe ich noch eine Woche Urlaub in Thailand auf der Insel Koh-Samui eingelegt. Der Kontrast war wirklich gegeben.
Die Insel Koh-Samui war damals noch ein Geheimtipp. Für 80 cent bekommst du eine eigene Hütte, auch noch eine ganze Menge zu essen, kannst schwimmen und hast deine Ruhe.
China ist wirklich ein Gegensatz dazu!
1985 lebten in China 1,2 Milliarden Menschen, davon 14 Millionen in Shanghai. Und machmal habe ich geglaubt, dass die alle genau in den gleichen Bus einsteigen wollen wie ich….
Aber bekanntlich besteht das Leben nicht nur aus Urlaub; daher hier einige Eindrücke von unserer Arbeit.
Bitte nicht vergessen: es handelt sich um den Sommer 1985. Die Öffnung der VR China begann erst (immer noch waren viele Orte für Touristen gesperrt) und der wirtschaftliche Aufschwung war vielleicht zu ahnen, aber keinesfalls schon da.
Zunächst ein paar Eindrücke von der Fudan Universität und vom Gästehaus der Uni, in dem wir gewohnt haben.
Mein Zimmer im Gästehaus war riesengroß und luxuriös (eigenes Bad). Damit war es doppelt so groß wie eine Durchschnittswohnung einer Durchschnittsfamilie. Das gibt schon zu denken.
Hier das Team bei einem Empfang bei der Frau Präsidentin der Universität und die Bestätigung der Uni – fast so gut wie eine „white card“
Das alles darf aber nicht über die gewaltigen kulturellen Unterschiede hinweg täuschen. So ist das erste Beispiel – eine Personen-Datenbank zu entwerfen schiefgegangen, weil es in China keine Sozialversicherungsnummer gibt. Wenn du krank bist, gehts du in die nächste Klinik und wirst behandelt. Ende.
Also haben die Studenten keine Idee gehabt, was ich mit dieser blöden Nummer will (und dass sie ein primary key werden soll). Aber wenn ein Student etwas nicht versteht, dann fragt er niemals. Denn das ist unhöflich. Es bedeutet nämlich, dass du als Lehrer unfähig bist, zu erklären (stimmt ja auch irgendwie).
Ich fürchte, die Studenten wissen bis heute nicht, was ich mit dieser Nummer wollte …
Überall war zu erkennen, dass China technologisch und ökonomisch großen Nachholbedarf hatte. Es war aber ein starker Drang in Richtung Neues zu spüren. Immer wieder wurden wir auf Englisch angesprochen, die Leute waren extrem wißbegierig. Aber auch sehr gebildet. So habe ich versucht, einer Gruppe Studenten zu erklären, was es mit Liechtenstein auf sich hat. Sie kannten es zwar aus dem Geographieunterricht (!), aber richtig vorstellen konnten sie es sich nicht. Na ja, wenn man bedenkt, dass in Shanghai in einem durchschnittlichen Häuserblock so viele Menschen leben wie in Liechtenstein insgesamt …
Die Veränderungen in China während der letzten 20 Jahre sind dramatisch. So sieht zum Beispiel Shanghai heute aus.
Ich möchte daher gerne auf den folgenden Seiten meine damaligen Eindrücke vom „alten“ China wiedergeben.